Sustainable Insights mit Thorsten Jonas: Wie viel CO₂ verursachen deine Webseiten?
0,68 g CO₂ pro Pageview – klingt wenig, ist es aber nicht
Eine Untersuchung 300 kommerzieller Webseiten aus 10 Industriezweigen zeigte kürzlich, dass die durchschnittlichen Emissionen einer Homepage bei 0,68 g CO₂ pro Pageview liegen. Das ist nach der Bewertungsskala des Website Carbon Calculators (von A, sehr niedrige Emissionen, bis F, sehr hohe Emissionen) ein E, also kurz gesagt: nicht gut. Und 0,68 g CO₂ mag wenig klingen, in der Multiplikation mit den Nutzungszahlen der Webseiten ergeben sich aber schnell Werte im hohen Kilogramm- oder sogar Tonnen-Bereich. Ein Beispiel: eine Website mit 100.000 Visits im Monat und 10 Pageviews pro Visit emittiert 680 kg CO₂.
Kleine Änderungen – großer Hebel
Wir sprechen viel über Nachhaltigkeit, in vielen Bereichen. Aber wieso sind unsere Webseiten nicht auch längst nachhaltiger? Zunächst unterschätzen wir den möglichen positiven Impact, den wir bereits mit kleinen Änderungen haben können. „Was bringt es schon, wenn unsere Website etwas nachhaltiger ist?“ ist ein oft gehörtes Argument. Dabei ist das Gegenteil der Fall. In der Summe der Pageviews und der Anzahl von Webseiten insgesamt ergibt sich ein gewaltiger Hebel, wie die Zahlen oben zeigen. Und tatsächlich ist gerade der Anfang oft leichter als gedacht. Für fast jede Webseite lassen sich einfach umzusetzende Quick-Wins identifizieren, die direkt einen positiven Einfluss auf den CO₂-Impact der Webseite haben, ohne diese signifikant zu verändern.
Nachhaltigkeit ist effizienter – und wird bald Pflicht
Ein weiteres Argument gegen eine nachhaltigere Webseite sind oftmals die angenommenen hohen Kosten. Aber, dass Nachhaltigkeit teuer ist, stimmt so gar nicht. Eine nachhaltigere Webseite ist automatisch effizienter und geht mit weniger benötigter Server-Kapazität und -Leistung einher, die dann direkt in Kosteneinsparungen resultieren. Darüber hinaus wird das Thema der Emission unserer digitalen Infrastruktur in der EU auch ein Regulierungsthema. Im Rahmen des New Green Deal und der Corporate Sustainability Reporting Directive werden für das Reporting auch die digitalen Emissionen relevant. Bisher war das zumeist nicht der Fall, da digitale Emissionen oft im Scope 3 liegen und von daher im „klassischen“ Reporting bisher meistens nicht berücksichtigt werden.
Wie kriegen wir das in unsere Prozesse?
Das größte Hindernis bei der Umsetzung nachhaltiger Webseiten ist aber oftmals der Prozess. Wie integrieren wir Nachhaltigkeit in unsere täglichen Arbeitsprozesse? Die Backlogs sind voll, es ist eh mehr zu tun als umgesetzt werden kann. Wo soll da die Nachhaltigkeit noch hineinpassen? Das ist die fast schon reflexartige Annahme vieler. Dabei muss es gar nicht kompliziert oder komplex sein. Vielmehr lässt sich oft einfach starten und Nachhaltigkeit Schritt für Schritt und eben ohne massive Aufwände integrieren.
Erster Schritt: CO₂-Wert der Website messen
Es beginnt mit einer sehr einfachen Frage: Wie hoch ist der CO₂-Impact meiner Website? Und diese Frage muss gar nicht sofort umfassend beantwortet werden. Im ersten Schritt könnten z. B. einfach die 10 Seiten mit den meisten Klicks manuell in einem der CO₂-Kalkulatoren wie websitecarbon.com, ecograder.com oder digitalbeacon.co abgeschätzt werden. Noch einfacher ist es, wenn man seine Website bei mittwald hosted. In der Hostingverwaltung mStudio bekommt man den durchschnittlichen CO₂-Ausstoß pro Visit einer Website automatisch angezeigt:
Transparenz ist der Anfang
Nachhaltigkeit beginnt immer mit Transparenz. CO₂-Impacts sichtbar und greifbar machen, ist immer der Anfang und die Basis für alle weiteren Maßnahmen.
„Klein anfangen und dann ausbauen“ funktioniert bei digitaler Nachhaltigkeit ganz hervorragend. Denn sie ist eben nicht ein eigenes „großes“ Projekt im Projekt oder Produkt, sondern eine Basis, die sich durch den gesamten Projekt- oder Produkt-Prozess zieht. Und diese Basis lässt sich hervorragend Schritt für Schritt und im Rahmen laufender Umsetzungen etablieren. Hilfreich ist es hier, zumindest eine zusätzliche KPI zu definieren und regelmäßig zu überprüfen.
Hier eignet sich z. B. das oben genannte Beispiel: Erhebung des CO₂-Impacts für jede der 10 meistgeklickten Seiten, diese dann jeweils multipliziert mit den entsprechenden Nutzungszahlen und am Ende addiert. Daraus ergibt sich ein CO₂-Wert, der zwar nicht die gesamte Webseite abbildet, aber bereits einen belastbaren und gleichzeitig einfach erhebbaren Wert ergibt, der außerdem in regelmäßigen Abständen einfach neu geprüft werden kann.
CO₂-Budgets definieren – schon in der Konzeption
Als weiteren Schritt können wir für die einzelnen Seiten CO₂-Budgets definieren: „Jede neu erstellte Seite soll einen CO₂-Wert von z. B. 0,3g CO₂ nicht überschreiten“. Dadurch bringen wir das Thema Nachhaltigkeit von Beginn an in den Umsetzungsprozess und machen es auch in unseren Teams zu einem Thema.
Neben der Definition von einer oder mehrerer KPIs ist es im ersten Schritt außerdem extrem effektiv, Quick-Wins zu identifizieren, die mit wenig Aufwand umgesetzt werden können und gleichzeitig bereits einen messbaren positiven Impact auf die CO₂-Emissionen der Webseite bewirken. Nach meiner Erfahrung aus mehreren Jahren lassen sich für beinahe jede Webseite relativ leicht 3-5 solcher Quick-Wins identifizieren.
Quick-Wins mit Effekt
- Hintergrundvideos vermeiden: Ein Hintergrundvideo in der Hero-Section ist ein Datentreiber. Ein solches Video allein kann für mehrere Gramm CO₂ verantwortlich sein (in einem meiner Projekte konnten wir auf einer Unterseite mit vielen Klicks feststellen, dass das Hintergrundvideo im Hero-Bereich, zwar keinerlei relevante Informationen transportiert, aber für 4g CO₂ pro einzelnem(!) Seitenaufruf verantwortlich ist.
- Dead Data identifizieren und löschen: Bis zu 90 % aller Daten im Internet werden (nicht mehr) genutzt. Sie sind aber auf aktiv laufenden Servern gespeichert, die Strom verbrauchen, CO₂ emittieren und ebenso Kosten verursachen. Welche Unterseiten werden gar nicht mehr aufgerufen? Welche Dateien werden nicht mehr heruntergeladen? Die Identifizierung und Löschung dieser Daten verbessert sofort die CO₂-Bilanz der Webseite und ihrer Infrastruktur und kann ebenso direkt zu Kosteneinsparungen führen.
- Bildformate optimieren: Vorherrschend verwenden wir immer noch PNG und JPG als Bildformate auf unseren Webseiten. Ein Umstieg auf z. B. das Format WebP kann Einsparung in der Dateigröße bis zu Faktor 7 bedeuten, ohne Qualitätsverlust. Natürlich bedeutet eine Änderung für die gesamte Website mehr als ein Quick-Win, aber eine solche Änderung lässt sich hervorragend in Schritten vollziehen: Umsetzung zunächst für Seiten, die neu erstellt werden, dann Umsetzung für bestimmte Bereiche, usw.
Fazit: Nachhaltigkeit? Gar nicht so kompliziert
Abschließend lässt sich sagen: Es ist einfacher als gedacht, Nachhaltigkeit in unsere Webseiten einfließen zu lassen. Denn Nachhaltigkeit ist nicht ein großes zusätzliches Projekt, sondern ein Prozess aus kleinen und gut umsetzbaren Schritten, die sich oftmals mit sehr wenig Aufwand in den bestehenden Projekt- oder Produkt-Alltag einbringen lassen. Und darüber hinaus ist die Nachhaltigkeit gar nicht nur gut für den Planeten, sondern geht nicht selten Hand in Hand mit direkten Kosteneinsparungen.