Barrierefreiheit mit WordPress: Wie alle davon profitieren – Interview mit Maja Benke
Maja, du beschäftigst dich schon sehr lange mit Barrierefreiheit. Wie kam es dazu?
Tatsächlich fing das schon früh an. Ich habe Legasthenie und war als Kind auf einer Schule für stotternde Kinder. Dadurch wurde mir bewusst, dass alternative Kommunikationsformen sehr hilfreich sein können. Mit 14 fand ich es spannend, Brailleschrift zu lernen – nicht, weil ich sie brauchte, sondern weil mich das logische System dahinter faszinierte. Später wurde mir klar, dass digitale Barrierefreiheit ähnlich funktioniert: Sie hilft vielen Menschen, aber am Ende profitieren alle davon.
Warum betrifft Barrierefreiheit eigentlich alle?
Es gibt viele Situationen, in denen barrierefreies Design auch Menschen ohne Behinderung hilft:
- Inhalte sind bei starkem Sonnenlicht besser lesbar.
- Ältere Menschen profitieren von klaren Schriftarten und guten Kontrasten.
- Ein barrierefreies Webdesign verbessert die Nutzerfreundlichkeit für alle.
Ein klassisches Beispiel aus dem Alltag ist die Bordsteinabsenkung: Sie wurde für Rollstuhlfahrer entwickelt, aber auch Menschen mit Kinderwagen oder Koffern profitieren davon. Dasselbe Prinzip gilt für digitale Barrierefreiheit.
WordPress bietet alle Werkzeuge, um barrierefreie Seiten zu erstellen – wenn man sie bewusst auswählt und nutzt.
Mitglied des WordPress Accessibility Teams
Viele Unternehmen denken erst jetzt wegen der neuen Gesetzgebung über Barrierefreiheit nach. Merkst du das auch?
Ja, absolut. Die Anfragen steigen stark an, vor allem aus dem kommerziellen Bereich. Bis vor Kurzem kamen fast alle meine Aufträge aus dem öffentlichen Sektor, jetzt wollen plötzlich auch Unternehmen ihre Websites barrierefrei gestalten. Leider oft erst, wenn es gesetzlich notwendig wird. Aber immerhin setzt sich das Bewusstsein langsam durch.
Wie barrierefrei ist WordPress eigentlich?
WordPress hat sich dem Ziel verschrieben, den WCAG-Standard (Web Content Accessibility Guidelines) zu erfüllen. Die Standard-Themes und viele Core-Funktionen sind gut umgesetzt. Problematisch sind oft Plugins und Themes von Drittanbietern. Viele sind nicht barrierefrei, und das ist eine große Herausforderung. Aber: WordPress bietet alle Werkzeuge, um barrierefreie Seiten zu erstellen – wenn man sie bewusst auswählt und nutzt.
Was können WordPress-Nutzer tun, um ihre Seiten barrierefrei zu gestalten?
Hier sind einige einfache Maßnahmen:
- Überschriften logisch strukturieren (H1, H2, H3 sinnvoll einsetzen).
- Klare Linktexte verwenden statt "Hier klicken".
- Bilder mit Alternativtexten versehen, damit Screenreader sie erfassen können.
- Farbkontraste prüfen, z. B. mit dem integrierten Farbkontrast-Checker im WordPress-Block-Editor.
Wer tiefer einsteigen will, kann sich meine Ressourcensammlung auf meiner Website ansehen oder in die Vorträge auf wordpress.tv reinschauen.
Wie reagieren Kunden, wenn du ihnen zeigst, dass ihre Website nicht barrierefrei ist?
Meistens positiv. Klar, es gibt immer mal Widerstand, vor allem wenn große Umbauten notwendig sind. Aber sobald Menschen verstehen, dass Barrierefreiheit nicht nur “ein Extra” ist, sondern auch Usability und SEO verbessert, sind sie oft sehr offen. Schwieriger ist es oft in Gesprächen außerhalb meiner Arbeit – da begegnet mir leider oft das Vorurteil, dass Menschen mit Behinderung ja "eh Hilfe haben". Das zeigt, dass wir gesellschaftlich noch viel Aufklärungsarbeit leisten müssen.
Was ist dein wichtigster Tipp für Unternehmen und Entwickler?
Nicht erst warten, bis es Vorschrift wird! Barrierefreiheit ist keine Last, sondern ein Gewinn für alle. Schon kleine Anpassungen können einen riesigen Unterschied machen – und helfen, das Web für alle nutzbar zu machen.